Serie: Aus dem Sportinternat. 18-jährige Einser-Abiturientin Carolin Kreuzer wird künftig in London studieren


Autor: Rolf Hantel

Es heißt Abschied nehmen. Die erste Besetzung verlässt die Bühne. Als 2007 das Sport- und Tanzinternat an der Von-Einem-Straße in Rüttenscheid eingeweiht wurde, war Carolin Kreuzer eines der ersten Talente, das dort Quartier bezogen hat. Nun hat sie ihre Koffer gepackt. Nicht, weil die 18-Jährige des Lebens in der Gemeinschaft überdrüssig wäre, sondern weil für sie ein neuer Lebensabschnitt beginnt. In London. Genauer gesagt in Stratford-upon-Avon, wo sie die Kunst des Schauspiels erlernen möchte.

Carolin Kreuzer ist Tänzerin. Und das sieht man. Wenn sie über die Treppe hinunter ins Foyer schwebt, erkennt es jeder auf Anhieb: Das kann einfach keine Kanutin oder Fußballerin sein. Der aufrechte, grazile Gang. Typisch für eine intensive Ballett-Ausbildung. „Ich habe mit sechs Jahren angefangen und schon damals fünfmal in der Woche trainiert.“ In einem luftigen, schlichten Sommerkleid kommt sie daher, die roten Haare hinten zu einem Zopf gebändigt. Eine dezente Kette um den Hals -- und beige-farbige Ballerinas. Was sonst.

 

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Die 18-jährige Carolin Kreuzer mit Internats-Geschäftsführer Horst Melzer. Foto: Klaus Micke

Als das Internat offiziell eingeweiht worden ist, hat Carolin Kreuzer zur Feier getanzt. Auf dem Gymnasium Werden hat sie in den drei Jahren danach ihr Abi gebaut. Ein Einser-Abi. Nicht Eins Komma..., sondern 1,0! Mit den Leistungskursen Englisch und Französisch. Und dabei sogar noch die Klasse 11 übersprungen. „Das Internat hier ist das einzige in Deutschland, auf dem es auch das klare Ziel gibt, das Abitur zu machen.“ Es war der entscheidende Grund für ihren Wechsel von der Talentschmiede in Hamburg nach Essen. Hunderte Kilometer entfernt von ihrer Mutter, die in Lübeck wohnt.

Aber die junge Damen, im fränkischen Weißenburg bei Nürnberg geboren, ist es längst gewohnt, ihren Weg selbst zu bestimmen. Und sie geht ihn zielstrebig - und entschlossen. Ehrgeizig wie sie ist, lässt sie dem Zufall möglichst wenig Spielraum. Und manchmal, wenn sie so plaudert, macht es manchmal den Eindruck, als gäbe es auf ihrem Lebensweg keine gemütliche Bank, auf der sie einfach mal in Muße verweilen wollte. „Entscheidend ist, was du mit deinem Leben anstellst.“

Carolin Kreuzer geht nach London, weil die renommierten Schauspiel-Schulen dort eh besser seien als in Deutschland. „Und um bei meinem Englisch den deutschen Akzent loszuwerden.“ Vor einem Jahr hat sie sich bereits auf der Insel umgeschaut. Ganz allein. Und so selbstständig hat sie auch entschieden. „Mit 17 eben mal nach London, um zu gucken, was da so los ist “, sinniert Internats-Geschäftsführer Horst Melzer. „Dazu gehört viel Mut und ein starker Wille.“

Und warum Schauspiel und nicht Tanz? „Weil der Beruf als Tänzerin später wohl nicht ausreichen würde zum Leben.“ Sie hat schon mal für eine TV-Reportage vor der Kamera gestanden, auch schon auf der Bühne. Bei „Effi Briest“ in Bielefeld vor zehn Jahren. Und 2004 hat sie einen Sonderpreis bei einem Wettbewerb gewonnen. „Ich war Schiller.“ Carolin liebt den Anspruch. Ihr Lieblingsfilm: „Atonement – Abbitte“. Ein englisches Filmdrama – preisgekrönt.

Das Spiel muss Sinn haben. Die junge Frau träumt nicht davon, ein glitzerndes Sternchen auf dem Hollywood-Boulevard zu werden. Obwohl, Popularität könne ja durchaus etwas Positives haben. Aber lieber bleibt sie doch realistisch und bodenständig. Auch wenn sie Fantasy-Literatur mag (natürlich in englischer oder französischer Sprache).

Als elitär betrachtet sich Carolin Kreuzer nicht. Sie hat sich eingefügt in die Internatsgemeinschaft, wo sie viele nur als die „Rothaarige mit dem Einser-Abi“ kennen. Aber Kreuzer war auch bereit, beim Empfang zu Melzers 60.Geburtstag mit ihren Sportler-Kolleginnen Tabletts zu schleppen. „Ich hatte alle Freiheiten und habe mich hier wirklich wie zu Hause gefühlt.“ Sechs Uhr aufstehen, Schule, Training, ab 20 Uhr Hausaufgaben. „Für Freizeit bleibt da nicht viel“,. räumt sie ein. Es geht nur mit Disziplin, vor dem Genuss steht ein harter Tag. „Aber Tanz ist Leidenschaft. Und diese Ausbildung hier ist ein Privileg.“

Eine ganz normale Tanzschule, nein, die habe sie nicht besucht. „Wenn man Ballett macht, kennt man schnell die jeweiligen Schrittfolgen.“ Gleichwohl gibt es Unterschiede. Und dann erhebt sich die Tänzerin und demonstriert, was Standard Walzer und Ballett Walzer voneinander unterscheidet. Sie schwebt durch den Raum, den Körper gespannt. So anmutig und beschwingt, dass selbst ein Tanzmuffel erkennt, was gemeint ist.

Im September geht es für Carolin hinaus in die weite Welt. Und beim Abschied aus dem Internat in Rüttenscheid wünscht man ihr natürlich Glück und viel Erfolg: „Du schaffst das schon.“ Und sie erwidert selbstbewusst: „Ja, klar. Vielen Dank.“

 

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